Reisejournalistin Renate Freiling stellt ihre Reportagen, Fotos und Reiseberichte vor.

Sonntag, November 19, 2006

Osttirol: Wasser in Höchstform


Im Defereggental in Osttirol ist die Natur noch fast unberührt. Dort kann man Wasser in allen Formen erleben und begleiten - beginnend als hartes Gletschereis, zerstäubt als Nebel über den Wasserfällen bis hinab ins Tal, wo es gemächlich fließend als Transportmedium ins Schwarze Meer genutzt wird. Bei einer Rafting-Tour erlebt man hautnah, dass Wsser nicht nur Leben spenden, sondern auch verschlingen kann.



Wasser in Höchstform
Der Quell des Lebens in der Nationalparkregion Hohe Tauern in Osttirol

Ganz oben Schnee und Eis, weiter unten im Tal rauschende Bäche und zwischen Himmel und Erde wabernde Nebelschwaden – Wasser. In Osttirol ist es immer und in allen erdenklichen Formen zu erleben. Lebenselixier und seine Wandlungsfähigkeit scheinen in dieser urtümlichen Landschaft unerschöpflich zu sein. Wie auch die Möglichkeiten, die sich den Besuchern offenbaren.
Auf den Höhen der Glockner- und Venedigergruppe prägen Hunderte von Gletschern eine skurrile Eislandschaft. An diesen weißgrauen, eisigen Inseln entspringen rund 30 Bäche und graben sich seit Jahrtausenden ihre Wege durch den felsigen Boden. Die Isel ist einer davon, entsprungen aus dem Umbal Gletscher am Großvenediger. Als „Umbalfälle“ stürzt sie hinab ins Virgental und kommt im weiteren Verlauf - fast besänftigt - im Iseltal an. Doch die berauschende Geschwindigkeit des Wassers ist dennoch nicht zu unterschätzen.
Sechs Menschen sausen in einem grauen Gummiboot schnell wie ein Pfeil den Fluss hinab. Alle in Neoprenanzüge gehüllt, Helme auf dem Kopf und ein Paddel in der Hand. Rafting. Immer wieder passiert das Boot enge Schnellen, die sich zwischen scharfkantigen Felsen hindurch schlängeln. Da gilt es, kräftig zu paddeln und zu beschleunigen. Denn nur mit noch mehr Tempo kommt das Boot schwungvoll über die gefährlichen Wasserwalzen hinweg. Es bäumt sich auf, geht mit dem Bug nach oben, biegt sich durch und gleitet nach einer kräftigen Dusche für die Besatzung weiter auf den Wellen entlang. Vom Einstieg in Huben bis zum Ziel in Ainet dauert die 12 km lange feucht-fröhliche Flussfahrt etwas länger als eine Stunde.
Sie ist bestens geeignet für mutige Anfänger und erfahrene Rafting-Hasen. Zwischendurch ist auch mal ein Sprung ins kalte Wasser erlaubt. Die Füße nach vorn, um eventuelle Kollisionen mit Felsen abfedern zu können, die Hände klammern sich an eine Sicherungsleine am Boot. Vorwärts geht’s von allein, die Bewegung fällt bei frostigen 16° Wassertemperatur auch schwer. Wem dieses rauschende Abenteuer zu gefährlich - oder zu eisig - ist, der kann ganz in der Nähe weniger aufregende Gefilde aufsuchen.
In St. Jakob im seitlich zur Isel gelegenen Defereggental dagegen scheint die Welt stillzustehen. Mit seinen ca. 1000 Einwohnern und den urigen Bauernhäusern liegt es - ganz in Einklang mit der Natur - als letzter Durchfahrtsort vor der über 2.000m hoch gelegenen italienischen Grenze. Stehend im Wasser, Gummistiefel bis zur Taille und eine Sonnenbrille auf, so sieht man vereinzelt überwiegend männliche Personen an der rauschenden Schwarzach hinter den Tamariskenbüschen stehen. Fliegenfischen. Die Schwarzach bietet wunderbare Stehplätze für das Warten auf den großen Biss. Regenbogen- und Bachforellen sind beliebte Opfer. Wer mit den Fliegen Erfolg haben will, braucht eine gute Ausstattung und Beherrschung des geschickten Schwunges mit der Route - mal abgesehen von der Genehmigung. Zunächst ortet der Fischer den geeigneten Aufenthaltsort der Fische – hinter großen Steinen. Wo das Wasser nicht so schnell fließt, hält sich die Fischnahrung in Form von Eintagsfliegen im Cocon und Steinbeißern auf. In der richtigen Entfernung und dem richtigen Winkel zum Ort simuliert die Leine des Anglers nun den Fliegenflug und landet dort, wo er den Fisch vermutet. Mit etwas Glück und Übung beißt auch schnell einer an. Und wenn nicht, wird fleißig weiter die Rute geschwungen und das Wasser beobachtet. Auch ohne Beute bietet dieser Sport an der Schwarzach ein beschauliches Erlebnis.
Am Ausgang des Defereggentales läuft dieses wilde Wasser zur Höchstform auf und stürzt vor der Mündung ins Iseltal steil hinab. Dort soll das Wasser in künstliche Bahnen gelenkt werden. Rohre führen es in Zukunft zu einem Kraftwerk. Der Mensch übernimmt die Kontrolle, um sich die Kraft des Wasser zunutze zu machen. Gletscher, Bäche, Flüsse – auf all diese Formen nimmt der Mensch bereits Einfluss. Ob es ihm je vollständig gelingt, den Quell des Lebens zu bändigen, bleibt jedoch anzuzweifeln.

Text: Renate Freiling

Weitere Informationen:

Gletscherwandern und Fliegenfischen: NationalparkRegion Hohe Tauern/Osttirol: Rauterplatz 1, A-9971 Matrei i.O., Tel. +43 (0)4875 6527
www.hohetauern-osttirol.at

Wasser: Haus des Wassers, Oberrotte 10, A-9963 St. Jakob i.D., Tel. +43. (0)4873 20090
www.hausdeswassers.at

Rafting: Osttirol Adventures, Camp Ainet, A-9951 Ainet, Tel. +43 (0)4853 20030
www.osttirol-adventures.at

Hotelempfehlung: Jesacherhof, Außerrotte 37, A-9963 St. Jakob i.D., Tel. +43 (0)4873 5333
www.jesacherhof.at

Landkarten und Reiseführer: SCHROPP Land & Karte GmbH, Potsdamer Straße 129, 10783 Berlin, Tel.: 030 23 557 32-0
www.schropp.de

Anreise:
Flug: nach Klagenfurt mit HLX ab 19 €, Mietwagen Europcar 1 Wo. ab ca. 281 €
AutoReisezug: Berlin – Villach sonntags 19h ab Berlin-Wannsee, Villach - Berlin montags 20.15h ab Autozug Terminal 2 Villach. Kosten pro Fahrt: für 2 Personen im Liegewagen 104 €, für 5 Personen 181 €; PKW einfache Fahrt 126 €, Motorrad 86 €.
Weitere Autoreisezüge nach Villach ab Düsseldorf, Dortmund, Hildesheim, Frankfurt, Hamburg: www.dbautozug.de

copyrights RenateFreiling2006

Freitag, November 10, 2006

Spanien: Begegnungen der andalusischen Art


Im April grünt und blüht es bereits in Andalusien. In nur fünf Tagen habe ich den östlichen Teil Andalusiens von Malaga bis nach Granada bereist. Und interessante Menschen getroffen. Das Reisetagbuch wurde in Ausgabe 2/2006 des Magazins "Potsdam Life" veröffentlicht.


Begegnungen der andalusischen Art
Ein Reise-Tagebuch.

Was mache ich mit 5 Tagen Zeit! Frühjahrsputz, einen Ostseetrip oder Mutter besuchen? Weg fliegen. Mit den neuen Billigfluglinien ist man ja schnell mal ganz weit raus. Und nach Málaga, bzw. Andalusien wollte ich immer schon mal. Bei Schropp in Berlin besorge ich mir noch eben die nötigsten Unterlagen für die Planung – einen dicken Reiseführer und eine Landkarte, auf der selbst die schmalsten Schotterpisten drauf sind – für alle Fälle.

Geschichte ist in Andalusien so gegenwärtig und anschaulich wie in kaum einer anderen Region der Welt. Unzählige bauhistorische Zeitzeugen aus allen Epochen prägen Landschaften und Orte und damit das besondere Flair Andalusiens. Architektur und Kultur sind von den Mauren geprägt. Im 16. Jahrhundert wurden sie von den katholischen Kaisern besiegt und vertrieben. Ihre Hinterlassenschaften sind heute noch von großer Bedeutung – angefangen beim Anbau von Zuckerrohr, Ölbäumen und Maulbeerbäumen für die Seidenraupen (in Rincon de la Victoria wurde Seide hergestellt) bis hin zum Bau der Dörfer und Burgen. Das Thema der Jahrhunderte langen maurischen Herrschaft und deren Ende ist schier unerschöpflich und es kommt kein Andalusien-Reisender daran vorbei, sich damit zu beschäftigen. Die Region zählt zu den ärmeren im Verhältnis zum restlichen Spanien, die Arbeitslosigkeit liegt in Andalusien über dem Landesdurchschnitt. Meine Begegnungen auf der Reise waren jedoch die mit Menschen, die ich bei ihrer Arbeit ertappte.

1. Tag: Der Flug geht nachmittags ab Schönefeld. Von wegen Senioren-Tsunami und Bevölkerungsrückgang – das fliegende 2.-Klassen-Zimmer ist voll mit lärmenden Kita-Absolventen. Mit ihren grellbunten Farben treffen die neuen Einfach-Fluggesellschaften wohl mitten in die Zielgruppe der 2 bis 10jährigen - die zukünftige „Generation Golf“ der Lüfte, von denen einige kleine Meilensammler sicher schon mit 5 Jahren die Meilen für einen Transatlantikflug beisammen haben. Endlich in Málaga angekommen, scheint um 8 h immer noch die Sonne. Bloß schade, dass die Gepäckkontrolle wohl meine Sonnenbrille für sich beansprucht hat. War ja auch das einzig Wertvolle in meinem Kurzreise-Gelump. Nicht ärgern, schnell zur Autovermietung am Málaga-Flughafen. Los geht’s, die Autovia rauf und runter über bebaute Berge. Hässliche Hochhäuser am Rande von Málaga und exklusive Villen auf den Hügeln der Vororte. In dieser geschäftigen Großstadt leben ca. 522.000 der 7,6 Mio. Einwohner Andalusiens, davon sind ca. 84.000 arbeitslos. Ich umfahre den Moloch zunächst und beschließe, mich beim nächsten Andalusienbesuch damit zu beschäftigen. Zwei Stunden später komme ich in Nerja an, einem kleinen Städtchen, das zwei Touristenattraktionen zu bieten hat: Den „Balcón de Europa“, eine Aussichtsplattform auf einem Felsvorsprung über dem Meer und die „Cuevas de Nerja“, erst 1959 entdeckte riesige Tropfsteinhöhlen. Nerja hat bisher trotz Tourismus noch seinen eigenen andalusischen Charakter bewahrt. Den vielen Baustellen rund um den Stadtkern zu urteilen, könnte sich dies jedoch bald ändern. In der mit vielen Blumen geschmückten Altstadt schaut man in der Bodega El Nino gerade ein Fußballspiel. Ich trinke Vino tinto und bekomme Kartoffelsalat, der hier als Tapas zu alkoholischen Getränken gereicht wird, dazu. Über dem Tresen hängen jede Menge Oberschenkel, auch „Jamón“ genannt. Endlich in Andalusien!

2. Tag: Morgens in der Bar Las 4 Esquinos gibt es zum Frühstück Kaffee, der richtig wach macht und „Churros“, ein Spritzgebäck, das wie Würste aussieht und ähnlich wie Berliner schmeckt. Auf dem Balcón de Europa tummeln sich am Morgen jede Menge Katzen um zwei Engländerinnen.

In einer Gasse tritt eine alte, gebeugte Frau aus einem Hauseingang auf die Strasse. Sie sieht nicht richtig und hält mir Nadel und Faden entgegen. Ob ich das einfädeln könnte, fragt sie mich. In einem Laden namens „Manos“ (Hände) spreche ich mit Ana. Sie ist eine von 5 Frauen, die Lederhandwerk machen – und das seit 30 Jahren. Ana stanzt die Muster in die vorgeschnittenen Lederstücke ein, haut mit immer gleichbleibender Kraft die „Troquel“, das Stanzwerkzeug, ins Leder. Das macht sie an ihrem kleinen Arbeitsplatz im Laden in Frigiliana, wo ich sie am nächsten Tag besuchen werde. In der etwas größeren Werkstatt in Nerja werden die Lederteile dann gefärbt und zusammengenäht. Aus Rindsleder werden so Hand- und Aktentaschen, Portemonnaies und Schachfiguren. Für eine Garnitur Schachfiguren brauchen 2 Frauen 2 Tage – und der Preis ist 210 €. Eine der 5 Damen, die gerade beim Skifahren in der Sierra Nevada ein Bein gebrochen hat, sitzt zu Hause und näht die einzelnen Lederstücke zusammen.


Nachmittags am Strand treffe ich die beiden Brüder Pedro und Juan*, die aufbrechen um zu fischen. Juan fährt morgens um 9h und nachmittags um 5h mit seinem Bruder Pedro zum Fischen raus aufs Meer. Es ist viel Arbeit für die beiden älteren Herren, „Francisco“, so heißt das Boot, vom Strand aufs Wasser zu schieben. Auf kantigen Holzbalken bewegt sich das Boot Meter für Meter vorwärts. Einen Balken vor das Boot, dann nach hinten gehen und schieben. Dann wieder einen Balken von hinten wegnehmen und vor das Boot legen usw. Die Aktion dauert bis dahin schon etwa 20 Minuten. Endlich im Wasser, werfen Sie den kleinen Außenborder an und biegen hinter dem Balcón de Europa ab. Schon 1 ½ Stunden später kommen sie zurück. Ohne Beute. Da waren sie aber nicht sehr geduldig. Jose sagt, morgen früh wird das schon anders aussehen. An einem Drahtseil und auf den Balken wird das Boot auf den Strand gezogen. Mit Hilfe einer riesigen Kurbel, um die Juan unzählige Male herum laufen muss, wickelt sich das Seil um eine Achse und zieht das Boot auf den Strand. Und morgen geht’s von vorne los. Was für ein Tag!
*Namen wurden von der Redaktion geändert.

3. Tag: Den zweiten Tag verbringe ich in Frigiliana, einem Dorf mit einer Geschichte, die bis zu den Phoeniziern zurückgeht. Frigiliana gehört zur Region „Axarquía“. Das ist maurisch und heißt der „äußerste Osten“ – so ist die östliche Region der Provinz Malaga benannt. Die Berge, auf deren Ausläufern ich mich befinde, gehören zu den „Sierras de Tejeda“ (bis 2000m hoch), einem Naturpark im Hinterland der Costa Tropical. El Ingenio - die große Honigfabrik, eine Burgruine, das Museum „Casa del Apero“ und der Markt, der einmal wöchentlich stattfindet, sind die Anziehungspunkte des Ortes. Jede Menge Busse mit vielen Engländern und Deutschen finden den Weg hierher, 6km nördlich von Nerja. Ich besuche Klaus Hinkel. Er malt Aquarelle und lebt seit 12 Jahren in Frigiliana. Der gebürtige Augsburger hat sich ein sehr altes Dorfhaus ausgebaut, das als Atelier und Laden dient. Manche Kunden kommen aus Kalifornien., Australien und New York, um seine Bilder zu kaufen. Er hat 2 Bücher geschrieben, eins über das Aquarellieren - wie man malt - und eines über seine Arbeiten - was er in Andalusien gemalt hat - sozusagen eine aquarellistische Reise. Klaus sagt, die Gegend sei im Winter sehr deutsch-, im Sommer überwiegend englischsprachig. Die Schwarzarbeit von früher gibt es auch nicht mehr, weil 3-4mal im Jahr die Lizenzen kontrolliert werden. Viele finden Klaus im Internet und kommen, um bei ihm Bilder zu kaufen oder einen Kurs zu besuchen. „Einer kam aus Südafrika, um meinen Kurs zu besuchen“ erzählt Klaus ganz stolz. Für ein Bild braucht er zwischen 5 min und 4 Jahren. Er erzählt vom Dorf. Vor 120 Jahren gab es ein Erdbeben, das fast alles zerstört hat. Trotzdem wurden die Reste der maurischen Häuser wieder aufgebaut. Das Transport-Maultier kommt vorbei. Es beliefert die Bewohner der mit Fahrzeugen schwer zugänglichen Gassen mit allen Gütern, die sie brauchen und nicht allein nach Hause befördern können. Weiter unten im Dorf: “El Lagar“ ist ein Weingut, dessen Inhaber selbst im Laden am Markt steht und verkauft. Er heißt Jorge Ruiz González. 3 Sorten Wein bietet er an: süß, semitrocken und trocken. Seine Körperhaltung erinnert mich an Rainman. Er zeigt mir, was er noch alles hat: Bienenhonig eines Nachbarn, den Zuckerrohrhonig der Fabrik El Ingenio – namens Ingenio Nuestra Senora del Carmen -, Olivenöl von der Cooperativa aus dem Umland und selbstgemachte Seife eines Freundes. Jede Menge ländliche Produkte aus der Region, die von den Touristen gern – zumindest als Mitbringsel - genommen werden.

4. Tag: Ich besuche Maro, ein verschlafenes, aber schönes Dörfchen 4 km nordöstlich von Nerja. Hier gibt es ähnlich wie in Nerja eine „Balcón“ – nicht „de Europa“, sondern kleiner, nämlich „de Maro“. Dieser Balcón ragt nicht ins Meer hinaus, da Maro nicht direkt am Meer liegt, und hat auch sonst nicht viel zu bieten. Von dort aus sehe ich Domingo. Er liest Kartoffeln auf einem Feld, das von einem altmodischen Ochsenpflug beackert wird. Sein Sohn und 2 Stiere pflügen und Domingo sammelt fleißig. Neben normalen Kartoffeln fördert er auch ähnliche Erdfrüchte zutage, eine Art Steckrüben, die er zwei jungen Burschen schenkt, die plötzlich aus dem Nichts auftauchen. Domingo erzählt, er arbeite jeden Tag auf dem Feld. Dass die Tropfsteinhöhlen von Nerja beansprucht werden, wo sie doch viel näher an Maro liegen, passt ihm nicht so richtig. Er ist schon immer in Maro – außer im 2. Weltkrieg, da war er mal in Deutschland, um zu kämpfen. Domingo ist 85 Jahre alt. Er ist fit und guter Dinge. Mit Ausnahme der Zähne alles in Ordnung und intakt. Nach unserem Gespräch und ein paar Fotos winkt er noch kurz mit seiner Oberkiefer-Prothese hinterher. Auf dem weiteren Weg entlang der Costa Tropical in Richtung Salobrena liegen, teilweise etwas versteckt, sehr schöne und noch einsame Strände, wie z.B. der Playa de las Albergillas und der Playa Naturista de Cantarrijan: einem Nudistenstrand, zu dem man mit dem Auto fahren kann. Abfahrt bei km 303 der N340 nahe dem Tunnel des Cerro Gordo. Kurz nachdem man das Schild der Provinzgrenze nach Granada passiert hat, kommt von der Straße N340 ein Abzweig nach Cerro Gordo, den man auf keinen Fall verpassen sollte. Hier kommt man zu einem Hügel, von dessen Spitze man einen traumhaften Blick aufs Meer hat. Meine Begegnung an diesem Ort habe ich mit einem iberischen Steinbock, der mich nur verstört anschaut und dann verschwindet. Bloß weg hier!

5. Tag: Ein absolutes Pflichtprogramm in dieser Gegend Andalusiens ist der Besuch der Alhambra in Granada. Nur ca. 80 km entfernt von der Küste liegt diese weltbekannte maurische Burg mit ihren paradiesischen Gärten. An Granada möchte ich nicht so einfach vorbei fahren wie an Málaga, obwohl es eine Großstadt ist. Mit nur 255.000 Einwohnern wirkt es nicht ganz so riesig und verbaut. Von Almunecar führt eine landschaftlich sehr abwechslungsreiche Straße in Richtung Norden nach Granada. Zwischen Plantagen mit Aprikosenbäumen fährt man entlang des Rio Verde über Jete und Otivar in die Berge der Sierras de Almijarra. Die Landschaft verändert sich auf ca. 1.000 m Höhe von einer fruchtbaren und erschlossenen Gegend in eine karge Berglandschaft. Nebelschwaden treiben zwischen den Felswänden umher, die Luft ist kühler und frischer. Nachdem ich einen Pass überquert habe, erreiche ich eine Hochebene mit Wald und Wiesen, später wechselt das Bild in Olivenhaine, Schotterstraße und Klatschmohn. Endlich sehe ich die Sierra Nevada mit dem schneebedeckten Gipfel des Mulhacén, dem mit 3.478m höchsten Berg Spaniens. In Granada angekommen und das Auto endlich abgeparkt, finde ich relativ schnell die beiden mir empfohlenen Hostals, allerdings ausgebucht. Die Stadt ist voll, da auch in Spanien der 1. Mai ein Feiertag ist. Ohne weiterhin die Zeit mit Unterkunftssuche zu verschwenden, starte ich mein Programm. In den engen Gassen des Altstadtviertels Albaycín werden Shishas geraucht und orientalische Waren verkauft. Einst wohnten hier die maurischen Handwerker, die im 13. und 14. Jahrhundert gegenüber die Paläste der Königsstadt errichteten. Nun tummeln sich Touristen, die den Berg bis zur San Nicolas Kathedrale aufsteigen, und freakige Anwohner in und zwischen den Häusern. Nach einigen Irrungen erklimme auch ich den Mirador San Nicolas. Ich stehe gegenüber der Alhambra auf einer Plaza, die die perfekte Kulisse für das ultimative Granada-Foto bietet. Man steht Schlange, um vor der Mauer posieren zu dürfen, hinter der sich der Blick auf die maurische Burg eröffnet. Ich knipse und steige wieder ab, um von der im Tal des Rio Darro gelegenen Plaza Nueva den nächsten Hügel – den der Alhambra in Angriff zu nehmen. Unten angekommen jedoch außer Puste, nehme ich lieber für einen Euro einen der kleinen Touristenbusse bis zum Eingang der Alhambra. Die Atmosphäre ist umwerfend. Schon beim Betreten hat man das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein. In den Gärten und Palästen kann man stundenlang lustwandeln; findet unendlich viele Plätze, an denen man stehen bleiben, schauen oder einfach nur sitzen und verweilen möchte. Nach dem Besuch der maurischen Sommerresidenz Palacio de Generalife wandle ich weiter in Richtung der Alcazaba-Festung. Inmitten der Paläste und Gartenanlagen gibt es zwei Hotels. Ein Parador-Hotel, die ja bekanntlich immer an den besten Standorten liegen, und das kleine Hotel America. Hier frage ich Jorge, 25, den Portier, nach seiner Arbeit. Seit 2004 wird er saisonal von dem Besitzer als Rezeptionist eingesetzt. Der Eigentümer selbst arbeitet mit seiner Begabung als sprachtalentierter Reiseführer in der Alhambra. Das Haus, seit 50 Jahren im Familienbesitz, wurde anfangs als Pension, dann als Hostal und schliesslich als Hotel geführt. Jorge ist 30 Stunden pro Woche im Hotel, für seinen Hauptberuf als Übersetzer muss er ebenfalls 20-30 Stunden wöchentlich einplanen. Immerhin übersetzt er am Gerichtshof, bei dem die internationalen Kriminalfälle eher mehr als weniger werden. Jorge wohnt mit seinen Freunden in einer Wohngemeinschaft in einem Dorf in der Nähe Granadas. Gerne würde ich mich hier einquartieren, aber auch dieses Haus ist voll belegt. Nach dem Abstieg finde ich eine Pension und besuche nach Beschauung einer Kleinkunstdarstellung im Albaycín mit einem polnischen Weggefährten eine urige Bodega nahe der Plaza Nueva. Wir trinken Canas, Bier in kleinen Gläsern, was meinem trinkfesten Begleiter nicht ganz so behagt, da ihm große Kannen lieber wären. Wie so oft, hängen die Schinken über dem Tresen, und in diesem Etablissement sogar zusätzlich noch ein Stierkopf. Die Stimmung brodelt, man trinkt und unterhält sich ausgiebig. Unzählige Tapas-Teller schwirren durch das Gedränge, denn fast jeder Runde wird eine neue Tapas-Variante serviert. Zwei Einheimische gesellen sich zu uns und erzählen von den bevorstehenden Stierkämpfen. 30.000 im Jahr! Sie weiden in den Eichenwäldern im Nord-Westen Andalusiens bis man sie abholt. Und die Besitzer der Stiere sind stolz, wenn ihr Tier in der Arena sterben darf. Was für eine Tradition! Das reicht, ich bin voll von und mit Geschichten, Bildern, Gerüchen, Tapas, Canas.
Leicht melancholisch gestimmt von den vielen und überschwänglichen Sinneseindrücken reise ich am nächsten Tag über Alhama de Granada und Vinuela – übrigens eine prima Fahrradstrecke - zurück. Und übrig bleibt eine Erinnerung an viele Begegnungen und 5 bunte Tage, die auch 5 Wochen hätten sein können.

„Granada ist eine Stadt der Muße, eine Stadt der Betrachtung und Fantasie, eine Stadt in welcher der Verliebte besser als in irgendeiner anderen den Namen seiner Liebe in den Sand schreibt…Granada ist gemacht für Traum und Träumerei.” Federico Garcia Lorca (1899-1936)

Text und Fotos: Renate Freiling

Streckenplan:
Málaga – Nerja (Richtung Osten, ca. 80 km über die N340a oder A7) – Almunécar (ca. 20 km Küstenstraße N340) – Granada (ca. 75km. SO2 über Jete und Otivar) – Alhama de Granada (ca. 50km über über die A338) - Vinuela (ca. 30km A335) – Granada (ca. 70 km A335 über Vélez-Málaga und Torre del Mar, dann A7) – Málaga

Unterkunftsempfehlungen:
Nerja: Hostal Nerjasol, gepflegtes Haus mit schöner Dachterrasse, sehr freundliche Gastgeber! ab ca. 25 € p.P. C./Pintada, 54. Tel. 95 252 21 21. Fax 95 252 36 96. www.nerjasol.com
Granada: Hotel America: Idyllisch gelegen inmitten der Alhambra. Altes, liebevoll eingerichtetes und restauriertes Haus mit kleinem Patio. Ab 110 €/Zi. Real de Alhambra, 53. Tel. 958 22 75 71. Fax 958 22 74 70. www.hotelamericagranada.com
Alhama de Granada (zwischen Granada und Vélez-Málaga), Ort mit heißen Quellen: La Seguiriya, familiär geführtes Gasthaus mit malerischer Terrasse über der Schlucht. 6 Gästezimmer, jedes individuell eingerichtet. Mit wundervollen Öl-auf-Holz-Gemälden der Tochter des Hauses ausgestattet! Ab 60 €/Zi. C./Las Penas, 12, Alhama de Granada. Tel. 958 360 801. Fax 958 360 915. www.laseguiriya.com
Vinuela (zwischen Alhama de Granada und Vélez-Málaga), am Stausee ca. 20km von der Costa del Sol: Hotel La Vinuela, oberhalb des Stausees, modernes, sehr geschmackvoll eingerichtetes Hotel, gepflegte und großzügige Gartenanlage, Pool, Tennis, alle Zimmer mit Balkonen und Ausblick. Ab 45 € p.P./Nacht im Dz. La Vinuela Ctra. Velez á Alhama, 29.712. Tel. 952 51 91 93. Fax 952 51 92 82. www.hotelvinuela.com

Weitere Adressen:
Schropp, Spezialisten für Reiseführer und Landkarten, Riesen-Auswahl, gute Beratung! Potsdamer Str. 129, 10783 Berlin, Tel. 030-235 57 32-0; www.schropp.de
Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Tel. 030-882 65 43
Autovermietung: AutoEurope, ab ca. 21 €/Tag. www. autoeurope.com
Flug mit Air-Berlin ab/bis Tegel ab 21 € One Way zzgl. Steuern und Gebühren. Tel. 01805 73 78 00; www.airberlin.com
Nerja:
Artesanos Manos, Leder- und Kunsthandwerk, Calle Pintada 8, Nerja
Frigiliana:
Aquarelas, www.acuarelas-klaushinkel.com, Aquarell-Kurse www.fincanino.com
Productos tipicos: Vinos El Lagar, Calle real 1, Frigiliana
Granada:
Alhambra, Reservierung der Eintrittskarten via Internet dringend empfohlen! www.alhambradegranada.org
Alhama de Granada:
Balnearios Alhama de Granada: Ctra. del Balneario, s/n. 18120 Alhama de Granada, www.balnearioalhamadegranada.com

Buch- und Kartentipps:
Thomas Schröder: Andalusien. Michael Müller Verlag 2005, 6. Auflage, ISBN 3-89953-232-5 (bei Schropp erhältlich)
Petra Neukirchen, José María Godínez Calvo: Analusien aktiv, Reise Know-How Verlag 2004, ISBN 3-8317-1277-8 (bei Schropp erhältlich)
Die Generalkarte 1:200.000, Andalusien, MairDumont, ISBN 3-89525-232-8
(bei Schropp erhältlich)
Nelles Maps Spanien-Andalusien-Costa del Sol 1:650.000, ISBN 3-88618-695-4
Irving, Washington: Erzählungen der Alhambra, Edilux S.L. Granada, ISBN 84-87282-78-4 (Reiseberichte des Amerikaners aus den Jahren um 1829); erhältlich in Granada oder Antiquariaten
Klaus Hinkel: Wasserfarben. Deutscher Spurbuchverlag. ISBN 388778-198-8
Klaus Hinkel: Mit Farben und Wasser durch Andalusien. Deutscher Spurbuchverlag. ISBN 388778-225-9

copyrights Renate Freiling2006

Trentino: Wandern für Fortgeschrittene

Im September fand die ADAC Trentino Classic 2006 statt. Nur etwa 100 Oldtimer durften an der kulinarischen und landschaftlichen Entdeckungsreise teilnehmen. Und ich war mit dem eigenen Renault 16 TL dabei. Die Reportage wurde am 14. Oktober 2006 in der WELT veröffentlicht.


Wandern für Fortgeschrittene

Unterwegs bei der ADAC Trentino Classic 2006

Mit genussvollem Schwung biegt Louis in Richtung Madonna di Campiglio ab. Es geht steil bergauf. Nur noch elf Kilometer. Da holt ein fast 70 Jahre alter Wanderer auf. Er ist von Haus aus kräftiger, überholt und lässt, freundlich grüßend, Louis hinter sich. Stark schnaubend, erklimmen beide die enge Schlucht von Limarò. Und erreichen endlich ihr Ziel: Terme di Comano. Dort sind bereits 35 Teilnehmer eingetroffen und registrieren sich für die Abenteuer der kommenden Tage. Der Überholer stellt sich vor: er ist ein Wanderer W52 und kommt aus einem der besten und renommiertesten Altenpflegeheime für gut erhaltene Artgenossen – dem ZeitHaus der Autostadt in Wolfsburg. Louis, seines Zeichens Renault 16TL, ist 31 Jahre alt und Wahl-Berliner.

Was sich zunächst nach einem Bergsteigertreff anhört, ist die ADAC Trentino Classic, eine Oldtimer-Wanderung, an der jährlich 100 blecherne Klassiker und deren meist zweiköpfige Besatzung teilnehmen. An vier Tagen erfahren sie mit ihren Schmuckstücken zwischen Gardasee und Brenta-Dolomiten die reiche Landschaft des Trentinos. Sie wollen vom Alltag entschleunigen, herzhafte Köstlichkeiten genießen, Natur und Kultur durchwandern. Terme di Comano ist in diesem Jahr der Ausgangspunkt für die Tagestouren und liegt zwischen den Hochebenen Bleggio, Banale und Lomaso - im Valle Giudicarie. Die dort entspringenden 27° warmen Quellen sind für ihre Heilkraft bei Hautkrankheiten bekannt.
Aber nicht zur Lack- oder Hautpflege sind die Oldies hier, die zwischen 30 und 96 Jahren auf dem Buckel haben - es geht allein um den Genuss der Ursprünglichkeit, die sich diese Region bewahrt hat. Der Weg der ADAC Trentino Classic ist gleichzeitig das Ziel.
Am ersten Wandertag startet Louis um 9.39h, gemeinsam mit einigen anderen Spätzündern. Gemächlich rollen die Karossen den langgezogenen Berg hinab. Unten angekommen führt die Wanderung durch die Ebene des Oberen Etschtales. Reich mit dunkelroten Trauben behangene Rebstöcke säumen den Weg. Der gelbe Straßenwacht-Käfer krabbelt behutsam vor Louis über die Straße, noch hat der Engel keine Panne beheben müssen. Die beiden erreichen die erste Wanderpause, im Rallyejargon: WP (eigentlich: Wertungsprüfung), bei der Kellerei Pisoni in Pergolese. Der Familienbetrieb stellt Wein, Grappa und den nur hier aus der Nosiola-Rebe gekelterten Vino Santo her. Auf dem Hof angekommen, erwarten Louis und seine Weggefährten, wie an jeder WP, zwei Fragen zu den dargebotenen Produkten und einem alten Traktor. Statt zeitlicher Messung und Reifenwechsel muss hier genüsslich bei Cafè und Brioche nachgedacht werden. Die erhaltenen Punkte fließen am Ende der Veranstaltung in die Gesamtwertung ein. Weiter geht’s durch Apfelplantagen, zum urigen Ristorante La Casina, einem ehemaligen Bauernhof aus dem 16. Jahrhundert nahe der mittelalterlichen Burg Drena. Louis macht, wie alle anderen, eine kurze Rast, Besichtigung des Hauses und Beantwortung des Fragebogens. Wieder zurück auf der kleinen Landstraße rollen die Fahrzeuge durch die Obstgärten weiter nach Riva del Garda. Die frische Brise lässt bereits den Gardasee erahnen. Zu einer ausgiebigen Mittagpause sammeln sich die Wandersleute auf dem alten Hafenparkplatz. Dort werden sie von den hoch erfreuten Italienern und Touristen gleichermaßen überschwänglich begrüßt und schließlich genauso verabschiedet. Auf der Rückreise nach Comano muss Louis einen letzten Stempel im Franziskaner-Kloster Campo Lomaso abholen. Dort hängen in einem Kreuzgang um den Innenhof historische Fotografien, die von der bewegten Geschichte der Region zeugen, und deren Anzahl es als Rallye-Aufgabe zu schätzen gilt. Zieleinlauf in Terme di Comano in goldener Abendsonne. Louis trifft kurz vor dem Wanderer ein, hat die erste Tour gemeistert.

An den nächsten Tagen erwarten ihn noch mehr Höhepunkte wie das 1550m hoch gelegene Madonna di Campiglio, der märchenhafte Wallfahrtsort San Remedio (dort wohnt der Onkel des kürzlich erlegten Bären Bruno) im Valle die Non und die ehemalige Berg-Rennstrecke am Monte Bondone mit abschließender Concorso d’Eleganza in Trento. Mal sehen, wer besser liegt und punktet am Ende der bunten Reise. Denn erst bei der Preisverleihung stellt sich heraus, wer gründlich genug nachgedacht, die Gegend aufmerksam betrachtet und damit die höchste Punktzahl erreicht hat.
Aber ob Punkte oder nicht – Natur zu erleben, Schlemmereien zu kosten und freundlichen Menschen zu begegnen sind die Mittelpunkte einer Reise durchs spätsommerliche Trentino.
Letztendlich gewinnt Louis einen Pokal. Für die zweitbeste Schätzung eines Gewichtes und einer Außentemperatur. So kann’s gehen. Ohne Raserei und mit Genuss.

Text und Foto: Renate Freiling

Weitere Informationen und Tipps:

ADAC Trentino Classic 2007: 29. August bis 2. September 2007, nordöstl. Dolomiten
ADAC Trentino Classic 2008: 17. – 21. September 2008, Gardasee
ADAC e.V., Bereich MOC, Am Westpark 8, 81373 München, Telefon: 089/7676-0, Fax: 089/7676-2227, adac-trentino-classic@adac.de, www.adac.de

Fremdenverkehr, Informationen zu Tourismus, Region, Kulinarisches:
Trentino Marketing, Via Romagnosi, 11, I-38100 Trento, Tel. +39 0461 405 405
www.trentino.to
www.goodwinetrentino.it
www.valledinon.tn.it
www.comano.to
www.parcoadamellobrenta.tn.it

Anreise mit eigenem PKW oder Motorrad:
DBAutoZug ab/bis Berlin/Wannsee – Bozen, 2mal wöchentlich: Liegeabteil für bis zu 5 Personen und Fahrzeugmitnahme ab 246 € (LastMinute) oder 324,50 € Normalpreis
www.dbautozug.de

Anreise per Flugzeug, z. B.:
RyanAir Hamburg – Bergamo, Oneway 24,99 €
Airberlin Berlin-Tegel – Bergamo, Oneway ab 89 €

Oldtimervermietung:
Sprintage Oldtimer Verleih, Strada Paganella n° 15, I-38070 Terlago, Tel.: +39 0461 861541 z.B. MG Midget MK III 1970: 7 Tage ab 690 €
www.sprintage.it

Oldtimer-Museen, z. B.:
Autostadt Wolfsburg, ZeitHaus: www.autostadt.de
AMF-Museum Fichtelberg: www.amf-museum.de
Oldtimer-Busse(!): www.konrad-auhaeuser.de

Weitere Oldtimer-Veranstaltungen, z. B.:
www.adac.de/Auto_Motorrad/oldtimer/oldtimerveranstaltungen
www.adac-nuerburgring-classic.de
www.oldtimer-info.de, > Termine
www.sachsen-classic.de
www.silvretta-classic.de
www.2000kmdurchdeutschland.de

Wander- und Straßenkarten, Reiseführer:
Tipp: ADAC Reiseführer Trentino, Dolomiten, Gardasee
z.B. bei: SCHROPP Land & Karte, Potsdamer Straße 129, 10783 Berlin, Tel.: 030 - 23 557 32-0 www.schropp.de
oder www.adac.de/reisefuehrer oder in den ADAC Geschäftsstellen

Kaltern: Überirdisch - unterirdisch.

Im Juni 2006 fand das erste Weinakademie in Kaltern zum Thema "Die Zukunft des Genusses" statt. Nicht nur Ulrich Kienzle, sondern noch andere Vertreter der Presse waren - so wie ich - dabei. Die Reportage wurde in der Ausgabe 3 des Magazins "Potsdam Life" veröffentlicht.



Unterirdisch – überirdisch.
Kontraste in der Weinregion um den Kalterer See in Südtirol.


„Manincor“, sagt Michael Graf Goëss-Enzenberg und zeigt auf das Familienwappen an der Hauswand des alten Ansitzes. „Heißt soviel wie ‚Hand aufs Herz’“, übersetzt der 45-Jährige den Schriftzug im Hauswappen. In roter Jeans und kariertem Jackett steht der Graf vor der beeindruckenden Kulisse seines Weingutes. Links hinter ihm das fast 400 Jahre alte Haus der Familie, rechts der Eingang zu 3000 Quadratmetern großer unterirdischer Weinproduktion. Ein moderner Neubau aus Beton, ganz dezent unter dem Weinberg versteckt. Mit einem Hauch von Stolz in den Augen lässt Goëss-Enzenberg seinen Blick über die breite Einfahrt des Anwesens schweifen. Es ist mit einer Anbaufläche von 48 ha und einer Jahresproduktion von 150.000 Flaschen das größte Weingut Südtirols, das ausschließlich selbstgezüchtete Trauben verwendet. Tradition und Moderne, Qualität und Quantität sollen auf dem Weingut Manincor Hand in Hand gehen, lautet die Philosophie des altehrwürdigen Hauses – Hand aufs Herz..

Die Leidenschaft für edle Tropfen hat Graf Michael indes seinem Patenonkel, Georg Graf Enzenberg, zu verdanken. Aufgewachsen in Kärnten, der Wahlheimat seiner Mutter, wird er mit 18 Jahren von deren Bruder adoptiert, um später auf dem Sitz derer von Enzenberg in Kaltern das Erbe der Familie antreten. Da Graf Georg keine eigenen Nachfahren hat, möchte er den Familienbesitz in guten Händen wissen. Mit Blick auf die neue Heimat studiert Graf Goëss-Enzenberg in Geisenheim Weinanbau und Önologie, geht für ein Jahr nach Kalifornien und kommt 1987 nach Südtirol. Nur vier Jahre später beginnt der neue Herr auf „Manincor“ mit der Umstellung eines der bislang größten Traubenlieferanten Südtirols zum selbständigen Weingut. 2001 beauftragt Graf Goëss-Enzenberg zudem den Kalterer Architekten Walter Angonese mit dem Bau des neuen Weinkellers, der im April 2004 fertig gestellt wird. Rund sieben Millionen Euro kostete der Sichtbetonbau mit Ausstattung. Auf drei unterirdischen Etagen befinden sich moderne Pressen, Gärbehälter, Edelstahltanks, Abfüllanlagen und Lagerhallen. Trotz der technischen Ausstattung erfolgt die Weinverarbeitung im natürlichen Gefälle, mittels Schwerkraft. Der ganze Keller ist auf die Nutzung von natürlichen Ressourcen ausgerichtet, so dass für Temperatur und Luftfeuchtigkeit keine maschinellen Anlagen benötigt werden. Zu den Rebsorten, die hier zur weiteren Verarbeitung eintreffen, gehören unter anderem Cabernet Sauvignon, Merlot und Chardonnay. „Wir verarbeiten die meisten Trauben zu hochwertigen, eleganten Cuvées, die typisch heimischen Sorten jedoch zu Sortenweinen wie Kalterersee und Lagrein“, erläutert der Hausherr. Bestmögliche Qualität haben sich Graf Goëss-Enzenberg und seine mittlerweile 35 Mitarbeiter bereits vor rund zehn Jahren auf die Fahne geschrieben. Terroir - das Zusammenspiel von Klima, Boden, Trauben und dem Gespür des Winzers - ist der Begriff, um den sich alles dreht. Ein hoher Anspruch, dem der ehrgeizige und fleißige Winzer der Philosophie des Hauses gerecht werden will. „Denn Manincor’s Erbe verpflichtet zu sein, bedeutet Tradition im Zeitgeist zu begreifen und zu entwickeln“, erklärt der Graf. Dann lässt er sich höflich entschuldigen. Nach einem 16-Stunden-Tag ist es Zeit für ein entspannendes Bad im wärmsten aller Badeseen im Alpenraum – dem Kalterer See, der den einheimischen Trauben ihren Namen gibt.


Tatsächlich hat die Gegend südlich von Bozen zwischen der Mendel (1.363m) und dem Mitterberg (661m) als Urlaubsregion weit mehr zu bieten als Rebstöcke und alte Weinkeller. Das Klima erinnert ans nahe Mittelmeer. Der See wird besegelt, besurft, durchpaddelt, obwohl die Größe schnell erreichte Ziele vorgibt. Er ist nicht einmal zwei Kilometer lang. Dennoch begleiten die Wassersportler stets gute Winde, so dass regelmäßig Segelregatten und Surfwettbewerbe stattfinden und der ehemalige Surf-Weltmeister Klaus Maran im Hotel „Gretl am See“ eine Surfschule etabliert hat. Auch Angeln ist äußerst beliebt, der dicht von Hechten, Zandern, Schleien uns Aalen bevölkerte See verspricht schnelle Erfolgserlebnisse. Sein Ufer ist zudem nur auf einer Seite bebaut – mit zwei Hotels und dem neuen öffentlichen Schwimmbad, die zur Qualitätsoffensive „wein.kaltern“ gehören.


Insgesamt 19 Vertreter aus Weinbau, Tourismus und öffentlichem Leben haben sich unter der Marke mit dem Punkt vor rund fünf Jahren zusammengeschlossen und Qualitätsmaßstäbe formuliert, die dem Weindorf ein Erlebnisprofil auf hohem Niveau geben sollen. Namhafte Architekten wie Hermann Czech und Walter Angonese arbeiten seitdem an der Verbindung von moderner Architektur und traditionellen Gegebenheiten. So entstanden auf dem Weingut Manincor beispielsweise der beeindruckende Weinkeller aus Sichtbeton, auf dem Gelände der Kellerei Kaltern ein WeinCenter mit Erlebnischarakter und mit dem „PUNKT“, Anfang des 20. Jahrhunderts ein Gemischtwarenladen mit Apfelverkauf nach Russland, am Marktplatz ein neu gestaltetes Weinhaus mit gehobener Traditionsküche. Ebenfalls in neuem, futuristisch anmutenden Design eröffnete im Mai dieses Jahres das Seebad mit einem Pool in viereinhalb Metern über dem Seespiegel. Wie ein roter Faden zieht sich der rote Punkt durch die Landschaft und verweist den Betrachter immer wieder auf bemerkenswerte Details. So sind entlang des wein.weges Schwellen mit den Bezeichnungen der Weinlagen in den Boden eingelassen. An den Ruheplätzen für Wanderer verweisen in Tischplatten eingelassene Bronzetafeln auf Historie und Weinsorten. Der schmale Weg über die Hügel des Rotwein-Anbaugebietes, wenige hundert Meter vom Gut Manincor entfernt, mündet in einer Sackgasse. Hier liegt versteckt der Bärentalerhof der Familie Morandell.


Dort begibt sich Dominikus Morandell, 68, gerade an sein unterirdisches Lebenswerk. Wie an jedem Tag seit 1976 karrt er ein paar Kubikmeter Erde aus seinem Weinberg heraus. Bis heute hat sich der Winzer Gewölbegänge in einer Länge von 80 m ausgebuddelt. „Aber immer erst nach Feierabend!“ betont der etwas schüchterne ältere Herr und stößt erneut kraftvoll den Spaten ins Erdreich. „Die Höhle ist mein privates Hobby. Ich habe Spaß daran, Stein auf Stein zu setzen und mein Lebenswerk zu schaffen. Bei dieser Arbeit habe ich außerdem die beste Entspannung. Unter Tage vergesse ich die Welt da draußen“, verrät der schüchterne Kalterer. „Der Keller eignet sich prima für kleine Familienfeiern, aber mehr Trubel möchte ich nicht haben“. Dominikus lebt schon immer an, auf und in diesem Berg. Sein Sohn Georg hat als ausgebildeter Kellermeister den Weinanbau über dem handgegrabenen Stollen übernommen, seine Frau kümmert sich um die Zimmervermietung. Verarbeitet werden die gebietstypischen Rebsorten Lagrein, Kalterersee und Gewürztraminer. Das Morandell’sche Anbaugebiet bietet mit 3 ha genügend Weinstöcken Platz, um 25.000 Flaschen jährlich zu abzufüllen. Auf das große Geschäft kommt es dem Bauern Morandell dabei nicht an, sondern auf sorgfältige Arbeit und ein gutes Ergebnis. Weder die technischen noch die landwirtschaftlichen oder personellen Möglichkeiten des Weinanbaus sind auch nur annähernd vergleichbar mit denen des Gutes Manincor, es sind zwei verschiedene Welten.

Dennoch sind beide Höfe Mitglieder des Verbundes wein.kaltern. Dominikus Morandell und Michael Graf Goëss-Enzenberg haben beide Interesse daran, zum weiteren Erfolg der Tourismus- und Wein-Region um den Kalterer See beizutragen. So verstehen sie sich nicht als Konkurrenten, sondern als sich ergänzende und Abwechslung bietende Partner. Jeder hat seine eigene Geschichte und seine eigene Philosophie, doch sie fühlen sich der Region und der Tradition verbunden.
Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern von wein.kaltern sitzen die beiden Winzer nun zur Besprechung der weiteren Arbeit auf der Terrasse des Hotels Seegarten bei einem Glas Kalterersee. Einem der 105 Südtiroler Weine, die die Karte anpreist. Aus wessen Keller der Wein dabei stammt, scheint keine Rolle zu spielen. „Mmmh – ein überirdischer Tropfen“, findet Graf Goëss-Enzenberg.

Weingut Manincor:
www.manincor.com, Weingut Manincor, St. Josef am See 4, 39052 Kaltern, Tel. +39 0471 960 230, Fax +39 0471 960 204, email: info@manincor.com
Vertrieb im Raum Berlin/Potsdam: www.paasburg.de, Paasburg’s, Fidicinstr. 3, 10965 Berlin, Tel. 030 611 018 38. Fax 030 611 018 48, email: info@paasburg.de

Bärentalerhof:
Bärentalerhof, St. Josef am See 36, 39052 Kaltern, Anfragen zur Besichtigung und Weinverkauf: Tel. +39 0471 960250

wein.kaltern:
Kontakt: www.wein.kaltern.com, wein.kaltern Gen. MbH, Marktplatz 8, 39052 Kaltern, Tel. +39 0471 965 410, Fax +39 0471 963 469, email : info@wein.kaltern.com

Hotel Seegarten:
Kontakt: www.seegarten.it, Hotel-Restaurant Seegarten, Fam. Morandell, Kalterer See 17, 39052 Kaltern, Tel. +39 0471 960 260, Fax +39 0471 960 066, email: info@seegarten.it
Übernachtung/Frühstück ab 57 € p.P.

Anreise:
z. B. Autoreisezug nach Bozen, ab/bis Berlin Wannsee, 2x pro Woche, Information unter www.dbautoreisezug.de


copyrrights Text und Fotos Renate Freiling2006