Reisejournalistin Renate Freiling stellt ihre Reportagen, Fotos und Reiseberichte vor.

Donnerstag, Februar 18, 2010

Sonnenuntergang auf der Titanic

Hotelspezialitäten in Manhattan, bei Nacht betrachtet


In der Stadt, die niemals schläft, ist der Unterschied zwischen Tag und Nacht nur am Licht erkennbar. Doch auch zwischen Up- und Downtown, East- und Westside, Design-Hotels und anderen „Hip Places“ sind die Unterschiede - tags wie nachts - groß. Allein 10 neue Hotels haben im vergangenen Jahr in Manhattan neu eröffnet, für das nächste Jahr sind weitere fünf bereits angekündigt. Individualität ist gefragt. Zwei Hotel-Spezialitäten in New York Citys In-Bezirken treffen diesbezüglich den Puls der Zeit.

1:40a.m. in SoHo - Walk the dog
In der Crosby Street, einer schmalen Seitenstraße nahe des Broadway in SoHo (South of Houston Street), hebt ein Hund sein Bein an einem Müllcontainer. Der fahle Schein des hoch stehenden Halbmondes lässt den nassen Asphalt glänzen. Im Foyer des Crosby Street Hotels ist es schummrig, zwei steinerne Bulldoggen stehen am Eingang Spalier. „Eine Flasche Veuve Cliquot und ein Pfund frische Erdbeeren auf Zimmer 802, bitte“, schrillt die Stimme der enternden blonden Dame mit einem Cavalier King Charles Spaniel an der Leine in die Stille, der Nachtmanagerin Annelle entgegen. Diese greift bereits, „selbstverständlich, gerne“ antwortend, zum Telefonhörer um ihre Service-Maschinerie in Gang zu setzen. Ein riesiger, aus Stahl gewobener Kopf schaut starr auf die Szenerie, eine bizarre Kulisse.



2:03a.m. am Hudson River - Nachthunger
Während Annelle sich im Crosby Street Hotel mit einer siebenköpfigen Nachtbesetzung um Erdbeeren und Champagner sowie lautere Musik für die spontane Party eines italienischen Designer im Salon kümmert, steht im The Jane Hotel ein Page in dunkelroter, klassischer Hotelkluft mit Pagenmütze unterdrückt gähnend hinter dem hölzernen, etwa drei Meter breiten Empfangstresen für 200 Gäste parat. Letztere jedoch sind im Foyer selten zu sehen. Ein bärtiger, hagerer Mann tritt im Bademantel aus dem Treppenhaus ins Foyer und fragt harsch, wo er eine Pizza Margeritha bekommen könne, „und zwar pronto“.



Nacht-Consierge AJ kennt sich aus. Er weiß auf Anhieb, wo der nächste 24h-Imbiss liegt, und beschreibt freundlich den Weg. Frustriert wendet sich der Herr dem personengesteuerten Holzlift zu und lässt sich unter Quietschgeräuschen vom Boy in den 4. Stock bringen. Die Gäste kümmern sich hier selbst um ihr Wohlbefinden, erklärt AJ gelassen. Es gab schon Gäste, die Geister gesehen haben, erzählt er, auch damit müssen sie allein fertig werden. Tipps für Essen, Trinken, Ausgehen erhält man über die Homepage der Informationsplattform NYCGO.com per kostenlosem Drahtlos-Internetzugang - auf selbst mitgebrachtem Laptop, versteht sich.



Titanic
Das im August 2008 eröffnete „The Jane Hotel“ im Meatpacking District, ist bei Backpackern und US-amerikanischen Kurzurlaubern sowie einigen Businessreisenden beliebt. Service und Komfort sind auf ein Minimum reduziert. Personal und Gäste schweben in Sphären längst vergangener Zeiten. Inhaber Shawn McPherson ließ das über hundert Jahre alte Gebäude im Uraltlook sanieren. Dunkle Holzvertäfelungen, Fliesen, Polstermöbel, Geweihe an den Wänden, Pflanzen und Kronleuchter, ein „Ballroom“ mit Showtreppe, Kamin und schweren Teppichböden – all das ähnelt einer Filmkulisse des Inneren der Titanic. Deren überlebende Besatzungsmitglieder nächtigten tatsächlich im Jahr 1912 im Haus, bis der Untergang und damit das Ende ihrer Jobs besiegelt war. Doch es sind keine Filmkulissen, die einem das Gefühl geben, Teil einer historischen Inszenierung zu sein. Der Stil ist gewollt der eines Hotels oder Luxusliners zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Direkt am Hudson River im „West Village“ gelegen, ist dem ehemaligen Seemannsheim ein maritimes Flair zu eigen. So wie hier ein traumhafter Sonnenuntergang über dem Fluss zu beobachten ist, sieht man aus den Zimmern des Crosby Street Hotels auf Manhattans East Side den Sonnenaufgang über der Brooklyn Bridge. Zwischen den beiden Orten liegt eine halbe Stunde Fußmarsch – und eine kleine Welt.


Crosby Street



Das zur exklusiven Auswahl des Portals Design Hotels™ gehörende „Crosby Street Hotel“ der Londoner Firmdale-Kette ist eines der extravagantesten Häuser in SoHo. Seit der Eröffnung im Oktober 2009 hat sich die Kunde der im Herzen des Big Apples neu erbauten Übersee-Dependance nicht nur im Königreich herumgesprochen. Vom ersten Tag an wird der 11stöckige Neubau im SoHo-Loftstil mit museumstauglichem Interieur und hohem ökologischen Anspruch international als neuer Hot Spot Manhattans gehandelt. Mit etwa 145 Angestellten für 86 lichtdurchflutete Zimmer ist das Hotel für Service- und New-York-Lifestyle-Begeisterte herausragend.



2:36 a.m. Workout
Crosby Street Hotel: Während sich vier junge Männer in Designer-Jeans und Kapuzenjacken in den bunten Fauteils des Salons (in Firmdale-Hotels heißt der Salon „Drawing Room“) lümmeln und zwischen Kamin und afrikanischen Holzskulpturen unter dem riesigen Gemälde eines Jack Russell Terriers Verhandlungen über Millionen-Investments führen, findet in der Lobby ein nächtliches Fotoshooting statt. Die letzten einiger fröhlich-lauter VIPs, die zur Vorpremiere des neuen Vampir-Films „New Moon“ ins private Crosby Street Hotel-Kino geladen waren, verlassen die Bar. Aus dem Lift kommt eine Mittsechzigerin im Jogginganzug und singt.
Leute aus der Entertainmentbranche, Banker und Unternehmer mögen das Flair des individuellen Hauses, meint Craig Markham, Marketing- und PR-Direktor. Seine Chefin Kit Kemp, Mitinhaberin und Designerin der sechs Londoner und des neuen New Yorker Firmdale-Hotels in der Crosby Street stellt eine Atmosphäre von luxuriösem Understatement und Heimeligkeit her. An den Kombinationen von Antiquitäten, Kunstwerken – der stählerne Kopf im Foyer stammt von Künstler Jaume Plensa – und modernem Design mit erstklassigen Materialien finden Ästheten für ihre optischen und haptischen Sinne so einige Hochgenüsse. Hundefotos, Hundezeichnungen, Hundeskulpturen - in jeder denkbaren Darstellung zieht sich der vierbeinige Menschenfreund durch das Haus wie Yellow Cabs durch die Autoschlangen von Manhattan. In den Zimmern sind indische Intarsienkommoden, gerahmte Textilien und das Männeken – eine Schneiderpuppe - Stilelemente, die in 40 unterschiedlichen Designs kreiert wurden.



Fast monoton sieht dagegen die Einrichtung im The Jane Hotel aus. 200 etwa 8qm große Kabinen mit lukenähnlichen Fenstern, teils mit Einzel-, teils mit Etagenbetten, sind in Nußbaumholz getäfelt. Ventilator, Marmor-Fensterbank, Messinghaken, Spiegelwand, gemusterte Teppichböden, 17“ Flatscreenfernseher, Klimaanlage und Schubladen mit Safe unter den Betten sind Standard.
Die Enge treibt die Bewohner oft auf die langen Flure. Das gesellschaftliche Leben, das im Crosby Street Hotel im Salon passiert, findet im The Jane Hotel im Badezimmer statt. Der Durchlauf fluktuiert Tag und Nacht, da es nur zwei Toiletten, zwei Hand-Waschbecken und zwei Duschen für etwa 50 Kabinen gibt. So wird selbst der Pizza-Hungrige um die fortgeschrittene Uhrzeit am marmornen Waschtisch fündig: eine junge Frau, die sich vor dem Badezimmerspiegel eine neuen Haarschnitt verpasst, bietet auf seine Frage hin an, ihm per Internet eine Pizza zu bestellen. Danach verschwindet sie, eine Menge Haar hinterlassend, um sich in den hippen Clubs des umliegenden Meatpacking Districts umzuschauen.



Die Luxusklasse des Jane Hotels umfasst bisher 12 Captains Cabins mit großen Fenstern und eigenem Bad, 20 weitere werden, übers Haus verteilt, saniert. Darin soll eine weitere Klientel neben preisbewussten Reisenden die Szene beleben: laut AJ sind es Filmproduzenten, Schauspieler und Rockstars. Eine dritte Klasse sind die „tenants“ (Hauptmieter), die in ihren Kabinen leben. Es handelt sich um etwa 10-15 ältere Herren, die beim Besitzerwechsel vor einigen Jahren als Mieter übernommen werden mussten, da sie uneingeschränktes Wohnrecht haben. Man begegnet ihnen zu jeder Nacht- und Tageszeit im Bad. „Wer in der Lage ist, fünf Nächte zu überstehen, schafft es auch für immer,“ meint Tenant Bill*beim Geschirrspülen, der als Arbeiter eines Fleischgroßhandels seit acht Jahren dort lebt. Das hat wohl auch der Hotelbesitzer erkannt und sich das Motto „for a day or a lifetime“ auf die Fahne geschrieben.
Für den Preis von fünf Übernachtungen im Jane Hotel bekäme man eine im Crosby Street Hotel.



5:48a.m. Sonnenaufgang
Während im Foyer des Crosby Street Hotel der lebhafte Check Out- und Gepäckservice beginnt, und sich Dutzende von Menschen lautstark unterhalten, kehren ins The Jane die letzten Übernächtigten heim.
*Name geändert

Tipps für New York Shopping, Restaurants, Nightlife, Verkehrsmittel, Hotels, Tourist-Info: www.nycgo.com/german

Fazit The Jane:
Übernachten im wahrsten Sinne des Wortes, vom dynamischen Leben New Yorks ist nichts zu spüren. Zuviel von allem im Badezimmer. Skurriler Kultort für Bohème und solche, die es mal werden wollen.
Anschrift: The Jane Hotel, 113 Jane Street, New York, NY 10014, Tel. +1-212-924-6700, www.thejanenyc.com
Buchbar über www.adacreisen.de

Fazit Crosby :
Sinnlich, anspruchsvoll, perfekter Service, zu wenige Badewannen, viel Leben und New York Lifestyle. Wozu sich durch Manhattans Straßen schlagen?
Anschrift: Crosby Street Hotel, 79 Crosby Street, New York, NY 10012, Tel. +1-212-226-6400, www,crosbystreethotel.com
Buchbar über www.designhotels.com

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