Reisejournalistin Renate Freiling stellt ihre Reportagen, Fotos und Reiseberichte vor.

Mittwoch, Juli 11, 2007

Aufwärst mit Gebrumm - Silvretta Classic Rallye Montafon 2007


Erschienen in WELT ONLINE, 6. Juli 2007

Aufwärts zum Silvretta-Massiv mit viel Gebrumm

174 Oldtimer stürmen vom 5. bis zum 8. Juli die Straßen Vorarlbergs. Die rund 600 Kilometer der 10. Silvretta Classic Rallye Montafon 2007 zählen zu den schönsten der gesamten Alpenregion.

Laut dröhnt der Reihen-6-Zylinder-Motor. Benzingeruch und Auspuffqualm umhüllen Mann und Wagen. Wolfgang Schäfer, 64, Repräsentant der noblen Uhrenmarke Chronoswiss, schließt die Motorhaube und ist zufrieden. Sein 1966er Austin Healey MK III, aufgrund seines fetten Motors und schweinischen Sounds „the pig“ genannt, ist fit für die Herausforderungen der nächsten Tage. Noch schnell die Fingerabdrücke auf dem Kotflügel weggewischt und dann flugs am Start aufgestellt.

Was auf den ersten Blick aussieht wie eine exklusive Veranstaltung für gut situierte Oldtimer-Besitzer ist normalerweise für jeden zugänglich. Und wird zur Nachahmung dringend empfohlen: Die Fahrt auf den Spuren der Silvretta Classic Rallye.

Jede Sekunde zählt

„...in Ewigkeit, Amen! Einen schönen Aufenthalt im Montafon!“ Mit diesen Worten gibt der Gaschurner Gemeindebürgermeister Martin Netzer die Startrampe für die erste Etappe frei. Schäfer gibt Gas. Wir gehören zum drei Piloten starken „Team Chronoswiss“. Auf den Straßen Vorarlbergs, Tirols, Liechtensteins und Graubündens zockelt die betagte Kolonne jährlich drei Tage lang durch grüne Täler und über zugige Pässe. Schäfer ist seit 10 Jahren dabei. „Schade nur, dass zu wenig Zeit bleibt, die alpinen Panoramen zu genießen und zu verweilen“, bedauert er. Denn es gilt ein strenges Reglement. Zeitkontrollen (ZK), Durchfahrtskontrollen (DK) und Wertungsprüfungen (WP) – hier kommt es auf genaues Timing und Zuverlässigkeit an. Da hat die Uhren-Bande von Haus aus beste Voraussetzungen – Chronoswiss stellt mechanische Zeitmessgeräte von höchster Präzision her. „Aber es geht nicht nur um Schnelligkeit und Wettbewerb“, sagt Schäfer blinzelnd. „Es macht einfach Spaß, mit schönen Autos durch diese herrliche Landschaft zu fahren, sportlichen Fahrstil zu pflegen – und man muss nicht mal aussteigen“.

Nachfahrer brauchen mehr Zeit

Die brummende Karawane erklimmt nach zwei Stunden, zwei WPs und einer DK ein Wander-Highlight – den 1773m hohen Flexenpass. Nicht weit dahinter, in Lech, tummeln sich Hunderte freudig winkender Vorarlberger und strahlender Touristen, um uns zum Mittagessen zu begrüßen. Hier am Rüfikopf gibt es nicht nur im Winter steile Pisten, sondern auch ein einzigartiges „Welltain“-Programm, das aus Bewegung und Entspannung eine Fitness-Formel für optimalen Erholungswert entwickelt hat. Doch das Ausruhen wird vertagt, der motorsportliche Ehrgeiz hält uns auf Trab. Nach einem schnellen Schnitzel braust das „Schwein“ mit sage und schreibe 70km/h die Serpentinen im Lechtal hinab. Mehr geht nicht. Aber wir liegen gut in der Zeit. Die Aussicht ist atemberaubend: neben der Straße Abgrund in eine karge Schlucht, gegenüber stürzen Bäche im freien Fall ins Tal. Und siehe da, schon die erste Panne am Wegesrand. Ein 120er Jaguar, Baujahr 1951 mit Warndreieck auf dem Dach. „Das ist doch unser Teamkollege Thomas Leukel!“ ruft Schäfer erschrocken. Der Kreativberater von Chronoswiss. Anhalten ist aber nicht nötig. Erste Hilfe vom Fachmann ist hier stets parat. Also auf zum Hochtannbergpass, der zum Aussteigen und Mountainbiken auf stillen Höhen lockt. Eine kurze Baustellenstau-Pause mit Kuhglocken-Lauschen muss allerdings für uns genügen. Nach einigen weiteren rasanten Kilometern und unzähligen urigen, schindelverkleideten Bauernhäusern, erreichen wir Faschina zur nächsten ZK. Geschafft. Pünktlich auf die Soll-Minute steht unser Austin an der Kontrollstelle.

Durch’s Etappen-Ziel auf Hemingway’s Spuren

Dort im Hotel Rössl hält man einen kurzen Plausch mit der Konkurrenz. Elvis, der 1972er Chrysler Imperial, ist auch schon da, obwohl lange nach uns gestartet. Stephan Moeller, der Pilot des Ami-Coupés, erzählt von der Mittagspause: „Zwei regendurchnässte Cabriofahrer durften im Restaurant ihre Sachen abgeben. Die Bedienung hat sie in den Trockner gesteckt.“ Nach einem Kaffee verlassen wir den Biosphärenpark im Großen Walsertal und begeben uns auf den Heimweg. Über die Ferienorte Ludesch und Tschagguns, vorbei an bunt blühenden Alpenwiesen, friedlich grasenden Kühen und stehen gebliebenen Oldtimern, die uns den Weg weisen. Wobei wir uns auch dank mechanischem Kilometerzähler und Oldtimer- und Motorradkarte (für mobiles Navigationsgerät zum Downgeload unter www.oem-online.org/em) prima zurechtfinden. Mit flimmernder Hitze über der Motorhaube stoppt der Austin am Kirchplatz in Schruns. Tagesziel erreicht, verschnaufen erlaubt. Die tollkühnen Piloten werden nach der kurzweiligen 175km-Etappe bereits von zahlreichen Zuschauern erwartet, die sich am chromglänzenden Anblick der immerhin 52 unterschiedlichen Automarken aus den Baujahren 1924 bis 1987 erfreuen.

Nach Meldung an der Kontrollstelle trifft man sich auf einen Kirsch im Hotel Taube. Hier war Ernest Hemingway im Winter 1925/26 zu Gast. Und sowohl das Haus als auch das gesamte Montafon haben ihren Charme aus der alten Zeit bewahrt. Bis nach Galtür in Tirol hat der erst später berühmt gewordene Schriftsteller Spuren hinterlassen. Relikte wie Gästebucheinträge und Fotos findet man nicht nur in den Wirtshäusern und auf den Hütten, sondern auch im Tourismusmuseum Gaschurn. Und im Posthotel Rössle steht sogar noch das Himmelbett, in dem der bekannte Frauenheld nächtigte.

Die Teilnehmer der Silvretta Classic legten bereits am ersten Rallye-Tag mehr Kilometer zurück als Hemigway in einem ganzen Winter.

Es gibt halt viel zu sehen in Vorarlberg - und zu erfahren. An den nächsten zwei Tagen stehen die aufregendsten Strecken noch bevor. Wolfgang Schäfer freut sich schon auf die morgige 320km-Montafon-Etappe rund um das Silvretta-Massiv, bei der er als Erster auf den hohen Bergen sein will – „mindestens“ scherzt er. Na dann: auf sie mit Gebrumm!

copyrightsRenateFreiling2007


Weitere Links, Informationen und Reiseunterlagen:

Aktuelle Tagesergebnisse an den Rallyetagen ab ca. 22h online: www.silvretta-classic.de

www.montafon.at

www.vorarlberg.at

www.adac.de/Auto_Motorrad/Motorrad/tourenkarten/

Online-Karte zum Downloaden und nachfahren (ADAC-Mitglieder): www.oem-online.org/em

Unterkunftsempfehlungen im Montafon:

Hochmontafon: www.posthotel-roessle.at

ADAC Super Camping Platz 2006 lt. ADAC Camping Caravaning Führer 2007 Südeuropa in Nenzing/Walgau: www.alpencamping.at