Reisejournalistin Renate Freiling stellt ihre Reportagen, Fotos und Reiseberichte vor.

Dienstag, Mai 08, 2007

Pauschale Abenteuer


Braunschweiger Zeitung, 26. Mai 2007


Foto-Safari mit Massai und Speisen vom Buffet
Pauschale Arrangements in Kenia

Flinken Fußes schreitet ein hochgewachsener Massai im leuchtend roten Gewand durch die hohen Gräser. Weit und breit ist keine Siedlung, kein Ziel in Sicht, und dennoch scheint der Mann seinen Weg zu kennen. Die Steppe erstreckt sich in endlose Weiten. Nur der Blick in den Süden endet auf der Silhouette des Mount Kilimanjaro. Unwirklich, aber mächtig erhebt er sich über dem weiten Land Afrikas.
Kaum zu glauben, dass inmitten dieser überwältigenden Wildnis des seit 1963 unabhängigen Kenia der Pauschaltourismus boomt. Tiere anschauen, Fotos machen und danach zum Badeurlaub an die Küste – das ist das übliche Programm von ca. 61% der jährlich anreisenden 55.000 europäischen Kenia-Urlauber des African Safari Clubs (ASC).
Mit einem freundlichen „Jambo“ (=“hallo“ auf swahili) öffnet der Pförtner – ein Massai – morgens um sechs Uhr die Schranke der Leopard Lodge, einem von vier Safari-Camps des Kimana Game Sanctuary. Die erste Pirschfahrt hat noch nicht allzu viel zu bieten. Doch die Aussicht auf den in Tansania liegenden und mit 5.895m höchsten Berg Afrikas, den „Kili“, ist faszinierend. Das wäre eigentlich die passende Kulisse für das perfekte Urlaubsfoto, jedoch fehlen die „richtig“ großen Tiere im Vordergrund. Von Bodennebel bedeckt wirkt die Steppenlandschaft noch ganz verschlafen. Vereinzelt grasen Zebras, Gnus, Büffel und Antilopen auf dem weiten Land. Zurück in der Lodge wird erst einmal englisch gefrühstückt.
Bei der nächsten Ausfahrt um zehn Uhr scheinen die restlichen Steppenbewohner zum Leben erwacht. Giraffen stolzieren von Baum zu Baum, um überall die jungen Äste zu kosten. Elefanten trampeln mit stoischer Ruhe über den von zebragemusterten Kleinbussen befahrenen Pfad. Da ist es endlich, das ultimative Kili-Foto mit Großwild! Die Tiere lassen sich von den blechernen Kisten, aus denen staunende weißhäutige Urlauber ihre Kameras halten, nicht beeindrucken. „Nur Menschen zu Fuß machen ihnen Angst“, erklärt Fahrer Matthew - auf deutsch! „An die Autos sind sie schon lange gewöhnt, die sind berechenbar. Selbst die Kleinflugzeuge stören kaum“.

Seit 40 Jahren bringt der Club seine „Mitglieder“ – einmal ASC gebucht, gehört man dazu – in das Land. Zunächst nur in die Touristenreservate am Strand. In den 80er Jahren wurde der Höhepunkt mit dem Einflug von 70.000 Touristen jährlich erreicht, und das Schweizer Unternehmen bekam die Chance, Land am Kilimanjaro zu nutzen.
Kleinbusse, Unimogs und Jeeps befördern seitdem dreimal täglich ca. 50-60 meist europäische Besucher durch das Kimana Game Sanctuary. Das Tierschutzgebiet hat der ASC 1982 von der Kimana Group Ranch, einer Organisation von 830 ortsansässigen Massai, gepachtet. „Die Bewirtschaftung erfolgt hauptsächlich durch die Massai“, berichtet Matthew. Womit sich auch der Gang des zu Anfang beobachteten Wanderers erklärt, der das Gelände abschreitet, um verletzten Tieren zu helfen. So ist hier aus der touristischen Wildbeschau, Game watch, eine wichtige Einnahmequelle des ursprünglichen Krieger- und Nomadenvolkes geworden. Das Rinderhüten und die damit verbundene Suche von Wasserstellen und Weideland bleibt allerdings - trotz Einschränkungen durch die Grenzen der Nationalparks - nach wie vor die eigentliche, weil nach ihrem Glauben göttliche Berufung des Volkes der Massai.
Die Touristen duldet man gerne. Und man arrangiert sich. Aufmerksam beobachtet, ist die Vorliebe der fotohungrigen Safariteilnehmer schnell erkannt und das Porträt mit einem Einheimischen inszeniert. Die optischen Merkmale der Massai, rote Tücher, bunter Schmuck und große Löcher in den Ohrläppchen, wirken exotisch auf dem Erinnerungsfoto. Das Honorar ist möglichst in kenianischen Schilling zu zahlen, da die ansonsten gern genommenen Dollars und Euros erst in der nächsten Stadt, etwa 70km weiter, getauscht werden können. Auf Wunsch lassen sich die Massai auch gern im Dorf besuchen. Bei solchen organisierten Fahrten ist der Schmuck-Einkauf viel authentischer als im Souvenir-Shop und es kommt Freude beim Feilschen auf. „Nur ein Ausflug auf eigene Faust wird nicht erlaubt“, warnt Lodge-Manager Agandi. Der Pförtner an der Schranke, ist instruiert, keinen Touristen in die Freiheit zu entlassen, lässt sich bei einem Versuch leicht feststellen. „Draußen ist es zu gefährlich,“ meint Agandi. Freilaufende Raubkatzen gibt es jedoch in der Gegend nicht.

Nach der ausgiebigen Mittagsruhe beginnt die dritte und letzte Pirsch des Tages. Die Route ist etwas anders, die Landschaft dieselbe und die Tiere die gleichen. Letzte Station ist das Daktari-Gehege, die Tierklinik. Dort werden drei Löwen großgezogen, deren Mutter beim Ziegenreißen in einem benachbarten Dorf erlegt wurde. Der Erleger, Massai Michael, ist jetzt Ranger und Ziehvater der drei Jungen und zeigt stolz seinen Speer. Als er nach seiner Tat die drei Löwenbabys entdeckte, brachte er sie gleich ins Kimana Sanctuary in die Tierklinik, berichtet er den staunenden Zuhörern, die schnell noch ein paar Fotos von ihm schießen und sich verabschieden. Am nächsten Morgen geht die große Reise weiter. Für manche Touristen in den nächsten Nationalpark.

Für die anderen Otto-Pauschalurlauber folgt auf die wild-beschaulichen Tage im Kleinbus ein Strandurlaub à la tropical island. Also ab in die Propellermaschine der hauseigenen Airline des African Safari Clubs, und bereits 90 Minuten später sind die Hotelstrände von Shanzu Beach erreicht. Hier tummeln sich einheimische Verkäufer von Holzschnitzereien, Tüchern, Bootsfahrten oder Geschichten. Mit hartnäckigen, aber fröhlich-freundlichen Reden wird der geldbringende Hellhäuter bearbeitet, bis der Verkauf in trockenen - oder auch bunten - Tüchern ist.
Und wieder ein Massai. Er spaziert gemächlich in rot-orangefarbenem Gewand und mit Perlenschmuck behangen am Strand entlang. Mal nach links und mal nach rechts steuert er zielstrebig jeden an seiner weißen Haut erkennbaren Urlauber an. „Jambo! Wie geht’s? Bist Du aus Deutschland? Wann bist Du angekommen?“ Man spricht deutsch am Strande von Kenia.

copyright Text und Fotos: Renate Freiling2007

Info-Tipps:

Reiseveranstalter: African Safari Club, buchbar über L’Tur. www.ltur.de
ADAC Reiseführer KENIA: von Albrecht Hagemann, Auflage 2006; ADAC Verlag GmbH, erhältlich im Buchhandel oder unter www.adac.de/reisefuehrer; ISBN 978-3-89905-465-1
Kartenmaterial und mehr: SCHROPP Land und Karte GmbH, www.schropp.de, Tel. 030 – 23 557 32-0
Einreisebestimmungen und Visa: Kenianische Botschaft in Berlin, Tel. 030 - 259 26 60
www.VisitKenya.com

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